- Italien -
( Italia )

Nicht wundern, die Überschrift ist mit Absicht viel zu klein geraten. Denn daß was ich die ersten Tage in Italien erlebte kann und will ich nicht mit "Italien" identifizieren. Es gehört unter die Überschrift

- Moloch Adria -

Mein Tagebuch beginnt exakt mit dieser Überschrift; und geht weiter:

Campe am Abend auf dem "Belvedere". Zuvor hatte ich jedoch schon drei andere Campingplätze angefahren. Kosten 30.000 Lire und weit darüber hinaus - 40 Mark für Camping !!
Hatte Vorurteile gegenüber Italien - und mir vorgenommen, wenn's auch nicht leicht ist, diese abzubauen.
Na so bestimmt nicht. Dabei hatte meine Laune bereits Gestern einen deftigen Knacks erlitten als es durch den "Großraum Triest" ging.
Mich trennen ganze 30m vom Meer, von dem auch noch eine steife Brise herüber- weht. Riechen tu' ich von ihm aber trotzdem nichts. Alles was meine Nase aufnimmt ist der Gestank von Autos gemischt mit dem Geruch von Sonnenöl.

Mein "Nehmungsvermögen" wurde auf's Äußerste beansprucht in diesen Tagen.
Venedig hinter mir, zog ich mich deshalb von der Küste zurück und radelte fortan durch die landwirtschaftlichen Großanbaugebiete der Po-Ebene. Hört sich vielleicht nicht toll an, ist aber trotzdem recht schön. Wenig Verkehr, kleine Straßen, angenehme Orte und freundliche Menschen.

Sonnenuntergang bei Venedig

- San Marino -
( San Marino )

Hatte geplant gehabt San Marino zu besuchen. Leider stellte sich San Marino aber als Touristen- Magnet heraus. Und da der Behälter meines "Nehmungsvermögens" noch reichlich gefüllt war wurde der Besuch kurzerhand gestrichen. Stattdessen schrammte ich auf der 258 sozusagen haarscharf daran vorbei.
Wenn aus dem direkten Besuch auch nichts wurde, aus der Distanz (wenige Kilometer nur) macht der Felsen mit seinem Örtchen einen tollen Eindruck.

Weiter ging es auf der E78 nach Arezzo und Siena. Na da hatte ich mir vielleicht eine Strecke ausgesucht !!
Gleich auf zwei Streckenabschnitten von etwa 15km Länge ging's buchstäblich durch ein Spalier von Prostituierten. Alle paar hundert Meter eine. Am hellichten Tag.

Angebot
Auf einem der vielen kleinen Rastplätze stehen zwei Prostituierte und unterhalten sich. Just in dem Augenblick als ich herüberschaue macht eine der beiden eine Bewegung die ich als Gruß auffasse und grüße freundlich zurück. Sie stutzt einen Augenblick, dann schallt es "ficken?" [auf deutsch!] zurück!
Von soviel Direktheit geplättet konzentriere ich mich schnell wieder auf die Straße und fahre meines Weges.

In Piombino angekommen möchte ich mich nach Korsika einschiffen. Nächstes Schiff morgen Mittag. Verbringe den Rest des Tages (und auch die Nacht) also am Hafen und schaue mir das Treiben an.
Unglaublich, wieviele Menschen nach Elba fahren. Eine Linie fährt stündlich mit weiteren Fähren eingeschoben, eine zweite Linie fährt einen ähnlichen Takt. Und alle Fähren sind gut besetzt.
Mein Gott, welche Menschenmassen.

Es fiel mir zu der Zeit nicht selber auf, aber mein "Nehmungsvermögen", um beim Begriff zu bleiben, war wieder am Voll-Anschlag.
Was ich dagegen spürte war das Verlangen irgendwo ein stilles Plätzchen zu finden um ein paar Tage richtig auszuspannen, abzuschalten. Ich kam mir buchstäblich "ausgebrannt" vor. Der Frust und die Ohnmacht gegenüber diesen ewigen Menschenmassen hatten mich offenbar all meine Kraft gekostet.
Korsika schien mir dazu der richtige Ort zu sein.

Fähre Piombino - Bastia: Moby Lines
Fähren Genua - Bastia, Livorno - Bastia: Corsica Marittima, Corsica-Sardinia-Ferries, Moby Lines

- Korsika -
( Corse )

Einer der absoluten Höhepunkte der Reise!
Während die meisten Radler scheinbar den Küstenrouten folgen habe ich mir mal wieder meine eigene Route zusammengestrickt. Was die Fahrt (wen wundert's - als Gebirgsfan) zu 'ner einzigen Paß auf - Paß ab - Fahrt werden ließ. Und einer der absoluten Extraklasse. Eine Auffahrt schöner als die Andere, eine Abfahrt mit tolleren Aussichten als die Andere.

Umgebung von 312m-Paß

Ich habe die Angewohnheit besonders schöne Strecken auf der Karte mit einer grünen Zick-Zack-Linie zu markieren und in seltenen Fällen zusätzlich mit einem oder sogar zwei Ausrufezeichen zu versehen.
Auf Korsika häufen sich sogar die "zwei Ausrufezeichen" !

Tagebuch-Extrakte einiger Strecken
Col de Verghio
1477 m
.. und wie schön! .. unglaublicher Canyon! Absolut grandios!! .. fantastische Aussichten
Col de Sevi
1101 m
... steil (aber wirklich steil) hinauf; Die Sonne von vorne erscheinen die Berge in Richtung Küste in abgestuften Grautönen und hinterlassen einen unglaublichen Eindruck.
unbenannt
1193 m
.. aber die Abfahrt auf dem kleinen, in schlechtestem Zustand befindlichen Sträßchen ist unschlagbar! Extrem steil, extrem schlecht, extrem schmal. Einfach unbeschreiblich gut!
Col de Sorba
1311 m
Grandiose Auffahrt ..; Gleiches gilt für die Abfahrt hinunter nach Ghisoni.
Col de Verde
1289 m
Während der Paß selber relativ unspektakulär ist, gibt es kurz vor und nach der Paßhöhe absolut überragende Aussichten ..
Col de la Vaccia
1199 m
Unglaubliche Aussichten auf karge Gebirgslandschaften ..
Col d'Ilarata
1008 m
Man kann es kaum Paß nennen, es geht kaum bergauf, doch die Landschaft ist allesüberragend. Geht mitten durch die schroffen Felsen, die ich Gestern aus der Distanz gesehen hatte!!


tolle Aussicht I tolle Aussicht II

Wie schon angemerkt hatte ich bereits vor Korsika dieses Gefühl des "ausgebrannt sein". Brauchte unbedingt eine Pause; Oder einfach etwas ganz anderes als radeln.
In Korsikas toller Gebirgslandschaft verschwand es jedoch vollends und ich schien kuriert.
Eine letzte Nacht in Bonifacio, dann sollte es hinüber gehen nach Sardinien.

Die tollen Eindrücke Korsikas hinter mir tauchte aber sofort wieder dieses "ausgebrannt sein" auf. Noch dazu wesentlich stärker als zuvor. Hatte keine Lust mehr, wollte nur noch raus, weg, abschalten. Mein Tagebucheintrag an dem Tag sieht so aus:

Sehnsucht nach Stille
Gedanken schweifen zurück zu den Camps im Yukon, in Saskatchewan, und auch Australien ...

Hatte mich schon schlafen gelegt. Dann aber doch noch mal ein paar Zeilen (im anderen Heft) geschrieben. Geh nochmal zur Toilette.
Sitz' im Dunkeln aufrecht im Zelt, die Arme vor den Knien verschränkt, warte. Auf Stille.
Keine Stille. Gemurmel hier, Gemurmel da, vorne fahren Autos vorbei, Toilettentür knallt, Motor wird angeschmissen, abfahrendes Auto. Kurz drauf ein Motorrad. Immer noch Gemurmel.
     Sehnsucht nach Stille.
Am liebsten würd' ich mir 'n Ticket kaufen. Nach Australien, ins Outback. Oder ins Yukon nach Canada.
Andere Frage taucht auf. Es geht ja jetzt weiter nach Sardinien, Sizilien und Malta. Wo soll ich da Stille finden? Wo, wenn nicht hier auf Korsika? [In einsamen Ecken im Hochgebirge?]

- Sardinien -
( Sardegna )

Sardinien wurde zu etwas ganz Besonderem.
Wegen meiner Unlust zu radeln hatte ich vor der Westküste zu folgen und dann schnurstracks nach Cagliari zu pedalen. Hätte Sardinien buchstäblich "durchflogen".
Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen bog ich aber doch ab an die Ostküste. Wo ich im ersten Küstenort auf die Idee kam "warum nicht schon hier Infos über meine spätere Verbindung Cagliari - Trapani einholen?". Gesagt, getan.
Und als ich am Hafen dann auch noch einen kleinen Bahnhof vorfand war die Freude unbeschreiblich! Schlug gleich drei Fliegen mit einer Klappe: Gönne mir die herbeigesehnte Radpause, kann mich mal wieder meiner zweiten Leidenschaft - dem Bahnfahren - hingeben und lasse Sardinien außerdem als praktisch "unberadeltes" Gebiet offen für zukünftige Touren!

Die Tage in Cagliari sind unvergleichlich!
Von der kleinen Pensione, in der ich unterkomme, sind's ein paar Treppenstufen nur, und ich genieße ein Frühstück unter Arkadengängen; ein paar Meter nur, und ich bin versorgt mit Baguette, Gemüse und Fisch - nach drei Tagen bereits als Stammkunde! Ein paar Meter mehr nur, und die wunderschöne Altstadt läßt einen in sich eintauchen.

Cagliari

Fähre Cagliari - Trapani: Tirrenia

- Sizilien -
( Sicilia )

Sizilien wurde ebenfalls zu etwas Besonderem. Allerdings zu einem guten Teil im negativen Sinne.
Ich traf auf sehr nette und aufgeschlossene Menschen; und fand auch die Landschaft durchaus schön. Doch eines hat mich schnellstens das Weite suchen lassen: der Müll!
Ich fuhr winzige Wege, kleine Sträßchen, und auch große Hauptstraßen. Eines war jedoch allen gleich: der Müll. Haufenweise, massenhaft, überall. Beidseits der Straßen, unentwegt.
Im Prinzip sollte es mir nicht viel ausmachen; doch wenn ich vor lauter Dreck nicht mal einen Platz finde um für eine Rast anzuhalten? Besonders wenn man zu den Leuten gehört die sich gerne mal am Straßen- / Wegesrand ins Gras oder auf einen Felsen setzen, einen Happen essen, 'nen Schluck trinken, oder auch nur 'ne Pause einlegen um die Gegend zu bestaunen ... . Wer macht schon gerne Halt auf einer Müllhalde??

Dabei sind es nicht mal nur die Touristen, die den Dreck hinterlassen. Einmal kam ein Ortsansässiger mit dem Trecker angefahren, hielt an, kippte einen Anhänger voll mit Unrat an den Straßenrand und fuhr wieder davon. War herzlich bedient als ich das sah.


Sonnenuntergang I Sonnenuntergang II

Wie ich schon am Anfang andeutete hat Sizilien aber auch positivere Seiten zu bieten. Eine davon - bei Touristen besonders beliebt - sind die wunderschönen Sonnenuntergänge.

.. Pozallo ..
Sitze auf der Außenseite der Hafenmole zwischen den großen Felsen. Schönes Wetter (25 Grad, blauer Himmel) und (endlich) den Duft des Meeres in der Nase. Ein frischer Wind weht ihn herüber.
Schalte meinen kleinen Weltempfänger an.
Spielen gerade "Wouldn't it be good.."
     Malta kann kommen ..!
"Can't stop thinking of you.."

Fähren Pozallo - Valletta: Besamar Lines, Virtu Ferries
Fähren Catania - Valletta: Maresi, Virtu Ferries

- Malta -
( Malta )

erreichte ich via Katamaran von Pozallo aus. Teuer, aber einzige Möglichkeit zu dieser Jahreszeit.

Erster Eindruck: abschreckend! Die ganze Küste ist ein einziger Touristen-Betonsilo.
Zweiter Eindruck: atemberaubend! Die Fahrt in den Hafen Vallettas geht an herrlichsten Bauten vorbei.
Erste Erfahrung: übel; die Grenzer erweisen sich als Prachtexemplare der Sorte "arrogantes Ar...lo..".
Zweite Erfahrung: fantastisch; das Land scheint eine optimale Mischung aus englisch - arabischem Jahrhundertwende - Lebensraum zu sein.

Sammel einige Eindrücke von Valetta, fahre dann hinaus zum Flughafen. Nicht um abzuheben nach Sonstwo sondern einfach um ihn mir mal anzuschauen.
Zu recht! Er hat doch tatsächlich eine von arabischen Elementen durchsetzte Architektur! Hochinteressant; zumal ich so etwas bei einem Flughafen noch nie gesehen hatte!

Einen Nebeneffekt hat der Besuch denn aber doch noch: direkt da vor meiner Nase steht eine Swiss Air Richtung Heimat. Mit meinen Überlegungen in Sachen Griechenland im Kopf (wie dorthin ohne erneut durch Italien zu müssen ..) tu' ich 'nen Schritt an den Schalter - und bin unterwegs in die Heimat!
"Heimreise - ein Nebeneffekt??" mag sich der Eine oder die Andere verwundert fragen. Nun ja, diese spezielle Reise ist zu Ende; doch im Kopf werd' ich weiter unterwegs bleiben.

Vielleicht kommt jetzt eine Zeit lang erstmal etwas Anderes; doch wozu hat man denn Träume? Die nächste Reise kommt bestimmt!

mögen euch diese Seiten anspornen!
see you 'on the road'!
Thomas