Ins rote Zentrum Australiens - per Fahrrad


Planung und Weiteres vorab:
Haupt"ziel" der Reise war das Outback. Wollte auf Wüstenpisten das Outback kennenlernen. Nur muss man da ja erstmal hin... . Konnte ein günstiges Ticket nach Melbourne bekommen und so suchte ich mir eine Route von dort zu den Tracks die ich späterhin fahren wollte.
Bin von der Veranlagung her ein Naturfreund, immer bestrebt die Natur, die Landschaft, das eigentliche Land und die Bewohner davon kennenzulernen. Versuche größere Städte und auch "Touristenrouten" zu vermeiden wo immer möglich. Wälze deswegen häufig Karten um kleine "unbedeutende" Nebenstrecken und -pisten zu finden die einen das Land wesentlich "echter" erleben lassen als Hauptstrassen und -strecken.
Nach vielen Wochen Kartenstudium und der Recherche in einigen Büchern war die Route halbwegs klar: Von Melbourne aus grob in Richtung Nordwesten, dabei durch möglichst viele der zahlreichen State und National Parks, und diese auf kleinen Wegen miteinander verbinden.

Die Ausrüstung stellte kein Problem dar. Mußte lediglich die Ausrüstungsliste von vorherigen Reisen ein wenig anpassen. Wohl ein Problem war aber der Wassertransport am Rad. Wollte ein System, daß langlebig, gut, leicht zu handhaben, und stabil am Rad ist. Nur Wassersäcke? Zu wabbelig, keine Kapazität, zu hoher Schwerpunkt. Konstrukt im Rahmen? Bei drei Wasserflaschen (zwei im Rahmen, eine darunter) kein Platz. Bleibt der Lowrider. Hatte auf Fahrradmessen Ausschau gehalten aber kaum etwas Brauchbares gesehen. Blieb letzlich nur mir etwas eigenes zu schaffen.
Im Nachhinein eigentlich eine total simple Konstruktion: Normaler Lowrider im klassischen Design aber unten mit einer nach außen gebogenen Querstrebe. Ähnlich einem Miniatur-Außengestellrucksack. Man kann was draufstellen. Wie z.B. einen 5-Liter Wasserkanister. Damit er nicht runterfällt wird er auf dreiviertel Höhe mit einem Neopren-Gurt festgezurrt. Die Lowridertaschen kommen nicht an den Lowrider sondern darüber, an den Hochträger. Bombensicher, bombenfest, superstabil. Wasser schwer, Schwerpunkt tief. Lebensmittel in die Lowridertaschen, nicht so schwer, oben drauf.

Nächstes Problem: Wie die Zeit zusammenbekommen die für eine solche Reise nötig ist. Hatte knappe 3 Monate ins Auge gefaßt, nur paßte das nicht ganz überein mit den 26 Tagen, die mein Arbeitgeber mir erlaubte. Zum Glück hatte mein Boß ebenfalls ein Faible für's Reisen und so genehmigte er mir die drei Monate als "Urlaub ohne Lohn".

Anreise / Start:
Um nicht eine Unsumme an Übergepäck bezahlen zu müssen hatte ich mir einen anderen Weg ausgedacht. Drei Monate vor Reiseantritt ein großes Paket mit meiner Ausrüstung an das Postamt im Flughafen Melbourne abgeschickt und mit dem Vermerk versehen, daß es bitte bis zu meinem Eintreffen aufbewahrt wird. Die Zeit von der Ankunft und der obligatorischen "Rad-Sauberkeitsuntersuchung" bis zum Öffnen des Postamtes verbrachte ich gemütlich bei einer Tasse Kaffee.
9 Uhr, Airport-Postamt auf, Paket abgeholt, Ausrüstung ans Rad, und auf geht's. Den Airport verlassend geht die Hauptstraße nach Rechts, auf Melbourne zu. Man kann aber auch nach Links abbiegen und auf kleiner, verkehrsloser Straße mit frischem Eukalyptus-Geruch in der Nase direkt hinein ins Abenteuer. Das war die Route die ich mir ausgesucht hatte. Und es wurde ein Einstand nach Maß. Noch nie hatte ich frischen Eukalyptus Geruch in der Nase. Und schon garnicht so unvorhergesehen. War absolut überwältigt!

Yalla-Y-Poora:
Ein Örtchen (auf Detailkarten) das nicht mal ein Örtchen ist. Es ist eigentlich nur ein einsames Schulgebäude mit einigen großen Farmen in der weiteren Umgebung.
Kam nachmittags auf einsamen Schotter- und Sandpisten hindurch und entschied mich die Nacht zu verbringen. Schule verschlossen und auch niemand anwesend der mir die Erlaubnis geben konnte mein Zelt für eine Nacht aufzuschlagen. Also fuhr ich zurück zur letzten Station (Farm) und frug dort nach. Werde herzlich begrüßt. "Ja, natürlich! Kein Problem! Kannst dein Zelt gerne dort aufschlagen!" Leider war die Schule im vorherigen Jahr geschlossen worden da sie nur noch von ganz wenigen Kindern besucht wurde.
Schlug das Zelt direkt neben der Schule auf. Dicke Felsbrocken ersetzten die Heringe die einfach nicht in den harten Boden zu bekommen waren. Direkt an der hinteren Ecke fand ich den großen obligatorischen Wassertank, zu meiner Überraschung immer noch mit Wasser drin! Und wie köstlich und kühl!! Füllte meine Wasservorräte aus dem Wasserbasin auf und verbrachte einen grandiosen Nachmittag und Abend damit ein wenig umherzuwandern und einem Schwarm Papageien zuzuschauen.
Es war hier, bei absoluter Stille, nur unterbrochen vom leisen Rauschen der Blätter im Wind und dem gelegentlichen Gezwitscher der Vögel, und der weiten offenen Landschaft, und der unglaublichen Freundlichkeit und Warmherzigkeit der Bewohner, daß ich mich so richtig in Australien verliebte.

Kaum unterwegs am nächsten Morgen sehe ich in kurzem Abstand zuerst einen schneeweißen Papagei mit gelber Haube und dann einen pechschwarzen Papagei, ähnlich gebaut aber eben pechschwarz. Unglaublich schöne Tiere!

Auf den nächsten Park zusteuernd, den Grampians National Park, komme ich durch XYZ. Scheint so ganz viel nicht los zu sein, aber das Roadhouse ist verlockend. Kalte Cola und ein Hamburger sind verlockende Gedanken. Nehme Platz und bin absolut überwältigt. Die Rückseite besteht aus drei riesigen Glasscheiben und man sieht praktisch wie auf einem Panoramaphoto hinaus in die Weite. Mitten darin tobt sich ein kleiner Wirbelwind aus, wandert mal nach links, mal nach rechts, mal berührt er den Boden, mal scheint er "abzuheben". Bin vom Anblick so hingerissen, daß ich mir stattdessen eine Suppe vorab mit anschließendem Steak-Teller bestelle. Will mehr Zeit verbringen.

Grampians NP:
Kam von Osten und nahm einen "Seiteneinstieg" - eine der Nebenstrecken über die Bergkette. Null Verkehr & hochinteressante Landschaft!
War zwar erst früher Nachmittag, entschloß mich aber trotzdem beim Jimmy Creek campground zu bleiben und auch zu übernachten. Hatte so wenigstens einen Platz für die Nacht sicher. Erwieß sich als hervorragende Entscheidung. Wanderte durch die fantastische Landschaft und brütete über Streckenalternativen. Konnte mich mit dem geraden, schnellen Weg nach Halls Gap - der Hauptstraße - nicht anfreunden. Trotz etlicher Bedenken über den Zustand der Pisten im Westen des Parks entschied ich mich für diese. Erwiesen sich als sehr sandig aber doch machbar. Landschaft absolut überragend, Tierwelt ebenso!
Halls Gap ist der Hauptort des Parks. Sitze im Aufenthaltsraum der Jugendherberge als plötzlich jemand reinstürmt und "Koala!" schreit. Fünf Sekunden (!) später ist der Saal leer! Massenflucht mit Massenansturm auf einen Baum, gefolgt von Massenauflauf und fünfminütiger Massenanschauung. Und das wegen einem Koala ...
Bin übrigens später am Abend ebenfalls mal zu dem Baum hinübergewandert. Hat sich außer mir aber keiner mehr für den Koala interessiert.
Damit ist der Besuch des Grampians NP aber noch lange nicht abgeschlossen. Als nächstes kam ein Abstecher zum Boroka Lookout. Den Ausblick von dort oben muß man einfach gesehen haben! Er liegt am (asphaltierten) Ende einer wunderschönen kleinen Nebenstraße die sich in immer neuen Bögen und Kurven durch den Wald auf den Bergkamm hinaufzieht. Grandios!
Obwohl die Teerstraße am Lookout aufhört, kann man auf einer Piste weiterfahren. Sie führt durch die Mount Difficult Range und dann in großem Bogen um Lake Wartook herum und trifft bei den MacKenzie Falls wieder auf die Hauptstraße. Hatte am Lookout kurz überlegt diese Strecke unter die Reifen zu nehmen, jedoch schien mir mein Wasservorrat zu knapp und ich wählte den Weg zurück zur Hauptstraße und direkt zu den MacKenzie Falls.
Die MacKenzie Falls sind absolut einzigartig! Anders kann man sie nicht beschreiben! Es ist nicht ein Wasserfall, es sind drei Wasserfälle! Hintereinander! Absolut grandios! Über einen Pfad geht es zum ersten Fall, dann über einen weiteren Pfad zum Zweiten, und wenn Du schließlich zum Dritten kommst gehen Dir die Augen über! Ich garantiere, Du willst den Platz nicht wieder verlassen, so wunderschön ist er!

Big Desert Wilderness:
Hatte praktisch nichts über die Big Desert Wilderness in Erfahrung bringen können. Nur daß auf einer meiner Karten ein Track eingezeichnet war, von Nhill nach Murrayville, und daß ich diesen Track gerne fahren wollte da er zum einen durch interessante Landschaft zu verlaufen schien und mich außerdem auch in optimaler Weise näher ans "Outback" brachte.
Nach einigem Fragen stellte sich heraus, daß es direkt am Beginn der Piste - in Yanac - sogar noch einmal einen kleinen Laden gab, ideal für eine letzte Erfrischung vor dem Ungewissen. Außerdem Big Billy Boresoll es am Track selber einige interessante "Örtlichkeiten" geben. Z.T. sogar mit Wasser. Das erste Borehole verpasse ich komplett und sehe es erst einen Kilometer weiter beim Zurückschauen nachdem ich mich über die gefahren Kilometer wundere und anhalte. Nächster Stop ist ein künstliches Wasserbecken, gedacht als Tiertränke. Habe aber genug Wasser in den Kanistern und lege nur eine gemütliche Ruhepause unter ein paar Bäumen ein. Am Abend erreiche ich auf mittlerweile sehr sandiger Strecke das Big Billy Bore. Ein wunderbarer Platz zum Campen.
Laufe noch ein wenig herum, schau mir die nähere Umgebung an, aber immer mit Vorsicht vor Schlangen!, und lasse dann den Tag bei Nudeln mit Sauce ausklingen. Es ist schon spät am Abend als ich ein Fahrzeug die Piste entlangkommen höre. Wird langsamer, fährt aber doch beim Big Billy Bore vorbei. 10 Minuten später kommt es von der anderen Seite wieder und diesmal biegt es ab. Bin ein wenig in Alarmstimmung. Stoppt 10 Meter entfernt mit den Scheinwerfern direkt auf mein Zelt gerichtet. Erst als ich die Stimme des Polizisten aus Nhill, bei dem ich mich abgemeldet hatte, höre, fällt mir ein Stein vom Herzen. Er wollte nach mir schauen und sehen wie es mir geht. Mit dem Rad fährt ja keiner solche Strecken. Nhill-Murrayville TrackEr war überrascht, daß ich es schon so weit geschafft hatte. "Bin deinen Spuren gefolgt, konnte sie aber nach Big Billy Bore nicht mehr finden. Bin deshalb hierher zurückgekommen. Wollte nur mal schauen ob's dir auch gut geht. Hast ja schon ein ganzes Stück geschafft!" Mit einem freundlichen Lächeln und Gruß verabschiedete er sich und fuhr zurück nach Nhill.
Das letzte Borehole am immer sandiger werdenden Track ist nichts anderes als ein rostiges, altes Gerüst. Von Wasser keine Spur; aber meine Kanister sind ja auch noch ausreichend voll. Wegen der fantastischen Landschaft halte ich immer mal wieder an, mache ausgiebige Pausen, schieße etliche Fotos, und versuche die Gegend richtig in mich aufzunehmen.
Kleines "Schmankerl" kurz vor Ende der Strecke: mein erster und einziger "Unfall" in all den Jahren Reiseradlerei! War mit den Gedanken komplett woanders. War so vertieft, daß ich erst merkte, daß ich von der Piste abkam, als ich schon auf dem Seitenrand war. Der Rest passierte in dem Bruchteil einer Sekunde. Lenker in der einen Hand, Wasserflasche in der anderen, schmeiß ich die Wasserflasche weg, die zweite Hand an den Lenker, versuchen zu retten was zu retten ist. Links, rechts, geht das Vorderrad, immer stärkeren Ausschlag. Mit einem finalen Linksschlag haut es das Vorderrad quer, blockiert meinen Bewegungsuntersatz, und ich mach' nach allen Regeln der Kunst einen gewaltigen Abflug über den Lenker. Zum Glück muß wohl irgendwas von den sportlichen Tätigkeiten in meiner Jugend hängengeblieben sein - fabriziere unbewußt einen halben Abroller so daß das Ganze lediglich mit zwei leichten Abschürfungen endet. "Wow!" geht mir durch den Kopf, "Was 'n Ding! Zum Glück glimpflich abgelaufen!". Etwas Alkohol aus dem Notfalltäschchen auf die Schürfstellen - sicher ist sicher -, die Wasserflasche wieder eingesammelt, den Lenker geradegerückt, und wieder aufgesattelt.

Nicht lange in Murrayville aufgehalten. Bei der Polzei wieder angemeldet, Lebensmittel und Wasser aufgefüllt und über die Grenze nach Pinnaroo in South Australia. Auch hier nicht lange aufgehalten. Die 120km hinauf nach Loxron reizen.
Es wird ein hervorragender Abschnitt. Die meiste Zeit mitten durch Bushlandschaft, unterbrochen durch eine ausgedehnte Rast in Paruna. Diese Rast sollte man sich auch in jedem Fall gönnen! Es hat diesen kleinen "Tante-Emma" Laden, mit Holzveranda und Geländer außenvor, wie es keine Wild West Werbung schöner zeigt! Nebenbei dient der Tresen auch noch als Poststation und Agentur für die Commenwealth Bank. Obwohl ich eigentlich kein Geld brauchte, einen Stempel von hier mußte ich einfach haben und so hob ich denn ein paar Dollar vom Sparbuch ab. Den verbleibenden Nachmittag verbrachte ich auf der Veranda, fühlte mich ein wenig wie Cowboy im Wild-West Film, Pferd angeseilt, nur das meines eben ein Stahlroß ist.
Erst kurz bevor die Dämmerung einsetzte ging es wieder weiter in Richtung Loxton.

Loxton:
In Loxton eingetroffen fand ich diesen einzigartigen Caravanpark direkt am Murray River. Die Farben und das Glitzern des Wassers bei Sonnenaufgang und -untergang werd' ich wohl nie vergessen. Die Sonne bricht sich millionenfach in den winzigen Wellen und wie ein Kronleuchter scheint der ganze Fluß zu glitzern und zu strahlen. Durch die dunklen knorrigen Äste einiger alter Uferbäume betrachtet gibt das einen wahrhaft unvergeßlichen Anblick!


Hauptseite email absenden